Zeiten des Krieges
In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts kam es erneut zu einer Ausdehnung der Aufgaben und damit einhergehend zu baulichen Erweiterungen. Bedingt durch die Folgen des Ersten Weltkrieges, bedurften viele Menschen mit einer Behinderung der intensiveren medizinischen Betreuung und einer beruflichen Neuorientierung. In Anbetracht der Situation entschied sich der Verein Oberlinhaus 1930, bauliche Erweiterungen vorzunehmen. So wurde die bisher kleine orthopädische Station im Kinderkrüppelheim durch einen neuen vierstöckigen Krankenhausbau ersetzt. Ebenso bekam das Handwerkerhaus 1931 einen modernen Anbau, in dem neue Lehrwerkstätten eingerichtet wurden.
In der Nacht des 14. April 1945 wurde das Oberlinhaus von schweren Fliegerbomben getroffen. Der Nordflügel des Taubblindenheimes wurde vollständig zerstört, das alte Handwerkerhaus nahezu vollständig, das neue Handwerkerhaus teilweise zerstört. Kirche, Mutterhaus und Klinik wurden durch nahe Bombeneinschläge stark in Mitleidenschaft gezogen und erlitten erhebliche Schäden. Insgesamt musste das Oberlinhaus den Tod von zwei taubblinden Bewohnern beklagen, die von den Trümmern des Taubblindenheimes erschlagen wurden.
Als Folge des Krieges nahm sich das Oberlinhaus ab Januar 1945 der Flüchtlingsfürsorge an. Viele Außenstationen vom Oberlinhaus mussten geräumt werden und so fanden viele Schwestern und die ihnen anvertrauten Kinder, Kranke und Alte im Oberlinhaus eine erste Zuflucht.
Gleich nach den Fliegerangriffen machten sich die Mitarbeiter und Schwestern an den Wiederaufbau und die Einrichtung von Provisorien. Sie hielten den Betrieb und die Versorgung aufrecht. In der Folgezeit wurden in der Klinik besonders viele Kriegsverletzte versorgt. 1945 zählt die Statistik 788 Patienten, 1948 sogar 923 Patienten bei einer Kapazität von 305 Betten.
Der schützenden Hand des Landeshauptmanns von Arnim ist es zu verdanken, dass das Oberlinhaus während der NS-Zeit von Verfolgung und Drangsalierung verschont blieb. Herr von Arnim war bis zu seinem Tode 1945 Vorsitzender des Zentralvorstandes.
In den folgenden Jahren wurden alle Kriegsschäden behoben und die einzelnen Dienstbereiche konnten neu strukturiert werden. Die Klinik etablierte sich als anerkannte orthopädische Fachklinik mit angegliederter Fachambulanz. In Zusammenarbeit mit dem Luise-Henrietten-Stift Lehnin wurde die Ausbildung diakonischer Krankenschwestern wieder ein fester Bestandteil im Oberlinhaus.1952 übernahm die staatliche Volksbildung die Verantwortung für die Behindertenschule. Die etwa 30 Kinder dieser Schule wurden jedoch weiterhin in den Räumlichkeiten des Verein Oberlinhaus, nach staatlich kontrollierten Lehrplänen unterrichtet. Für die stationär zu behandelnden Kinder in der Klinik wurden eigens vom Bildungsministerium Lehrer beauftragt. Die schulische Bildung an taubblinden Kindern ist staatlicherseits in all den Jahren kaum zu Kenntnis genommen worden, konnte aber fast ungehindert weitergeführt werden.
Auch in den Lehrwerkstätten ging berufliche Rehabilitation von Jungen und Mädchen mit Behinderungen bzw. von kriegsverletzten Menschen mit Behinderung weiter. Die berufstheoretische Ausbildung erfolgte in einer staatlichen Berufsschule. Als „Abteilung berufliche Rehabilitation“ wurde dieser Dienstbereich in das Gesamtkonzept der staatlichen Rehabilitation einbezogen.
Bis in die fünfziger Jahre wurden von den Diakonissen des Oberlinhaus 47 Außenstationen betreut. Unter anderem 39 Gemeindepflegen, eine Klinik für Nervenkranke, vier Altersheime und eine Lungenfürsorgestelle. Die meisten dieser Einrichtungen waren in der Nachkriegszeit schon in andere Trägerschaft abgegeben worden, viele Gemeindepflegen mussten mangels Nachwuchs eingestellt werden.
1983 konnte nach langer baulicher Ruhephase das Reinhold-Kleinau-Haus für körper- und mehrfachbehinderte Erwachsene eingeweiht werden. Damit hatte ein jahrzehntelanges Provisorium in der einstigen Isolierbaracke der alten Klinik ein Ende. Mit großen Anstrengungen und dem unermüdlichen Wirken von Pastor Eckard Beyer und Freunden des Verein Oberlinhaus, ist dieser so dringend benötigte Neubau möglich geworden. Den Bewohnern standen nun moderne Zweibettzimmer mit Nasszellen und geräumige Gemeinschaftsräume zur Verfügung. Das physiotherapeutische Leistungsspektrum im Oberlinhaus ist durch ein Bewegungsbad im Erdgeschoss maßgeblich ergänzt und erweitert worden.